VOR UND NACH DER WAHL
Bürgermeister Dr. Marius Hahn ist gerade auf dem
besten Weg, eines seiner zentralen Wahlversprechen zu brechen, nämlich die
sogenannte Zweitausbausatzung abzuschaffen. Das behauptet der Betreiber des "Dom-Zoo"-Blogs.
Damit hat er einerseits Recht; andererseits spielt Dr. Hahn damit schlicht und
einfach nach den Regeln des etablierten Politikbetriebs. Denn Wahlversprechen
machen die allermeisten Politiker zunächst einmal, um die Wahl zu gewinnen. Was
überhaupt umsetzbar ist, kann man sich dann immer noch überlegen, wenn der
begehrte Posten erreicht ist.
Worum geht es? Anlieger von Straßen müssen für den sogenannten
Zweitausbau „ihrer“ Straße einen finanziellen Beitrag leisten, der meistens
vierstellig und durchaus auch mal fünfstellig werden kann. Es geht also um viel
Geld. Entsprechend haben Marius Hahn und seine Partei, die SPD, seit Jahren
gebetsmühlenartig verkündet, die Zweitausbausatzung ersatzlos zu streichen. Genau
dies hat die FDP in einer der letzten Stadtverordnetensitzung beantragt, und
siehe da, die Sozialdemokraten haben dem Antrag nicht einfach zugestimmt,
sondern noch weiteren Beratungsbedarf angemeldet. Der Bürgermeister, der die
Sache in seiner neuen Funktion eigentlich vorantreiben könnte und – gemäß seinem
Wahlversprechen – müsste, mutiert langsam aber sicher zu einem Verteidiger der
einstmals ungeliebten Einnahmequelle. Warum das so ist? Nun, würde man die
Zweitausbausatzung abschaffen, dann fehlten im Haushalt perspektivisch
Millionen, und Dr. Hahn, der als Finanzdezernent gleichzeitig Limburgs oberster
Kassenwart ist, weiß nicht, wie er das Geld ansonsten beschaffen könnte. Dass
dies so kommen würde, war ihm schon vor der Wahl klar, aber siehe oben – etablierter
Politikbetrieb usw.
Die Liste der nicht gehaltenen Wahlversprechen ist noch
nicht zu Ende. Mit großem Tamtam kündigte er im Frühsommer 2015, ein paar
Wochen vor dem Wahltermin, an, als Bürgermeister auf dem Gelände der gerade
abgerissenen alten Autobahnraststätte ein Hotel- und Kongresszentrum zu
errichten. Eine Architektin legte konkrete Pläne vor und es wurde verbreitet, potenzielle
Investoren und Betreiber stünden Schlange. Dass das Areal schon lange für die
Errichtung eines Lärmschutzwalls verplant war, kam vor der Wahl nicht zur
Sprache. Ebenso wie das Hotel- und Kongresszentrum nach der Wahl nicht mehr zur
Sprache kam. Als die Nassauische Neue Presse zaghaft nachfragte, ließ der Bürgermeister
seinen Pressesprecher verlauten, das Hotel- und Kongresszentrum sei eine
interessante Idee gewesen, die aber nicht mehr weiter verfolgt würde.
Und dann wollte der damalige Kandidat und heutige
Bürgermeister Limburg auch noch zur „Hochschulstadt“ machen (siehe Screenshot von seiner Wahlkampfwebsite). Von studentischem
Leben, das in Limburg einziehen würde, war die Rede, von einer Belebung der
Innen- und Altstadt und von ortsansässigen Mittelständlern, die demnächst vor
Ort forschen (lassen) könnten. Unbedarfte Bürger verstanden folglich unter einer
„Hochschulstadt“ eine Stadt mit einer Hochschule, an der hunderte, wenn nicht
tausende Studenten studieren,
unterrichtet von Dutzenden Professoren, die parallel Forschungseinrichtungen
aufbauen und internationale Kongresse nach Limburg holen. Auch hier sieht die
Realität nach der Wahl ein klein wenig anders aus als davor: Gerade einmal
zwölf Studenten wird die „Außenstelle“ der TH Mittelhessen in drei
Unterrichtsräumen unterrichten lassen, und zwar von Dozenten, die für jede Lehrveranstaltung
eigens anreisen. Null Lehrende haben ihr Büro in Limburg, es gibt keine
Bibliothek, kein Labor, keine internationalen Kooperationen, keine Tagungen, keine
ausländischen Studenten oder Gastwissenschaftler – es gibt also all das nicht,
was eine Hochschulstadt auszeichnet. Die Hochschulaußenstelle in der Werkstadt
hat so viel mit einer Hochschule zu tun wie ein Papierflieger mit einer Boeing.
Apropos Werkstadt: Deren Investor darf sich freuen, erhält er doch für die
Vermietung der drei Räume (deren Ausstattung mit Technik und Mobiliar die Stadt
150.000€ gekostet hat) pro Jahr 70.000€ Miete.
Wie kann man dieses besonders krasse
Auseinanderklaffen von Ankündigungen und Umsetzung erklären? Dazu demnächst
mehr an dieser Stelle.
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