Samstag, 1. April 2023

Ab 2024: Elz feiert queere Kirmes

Viele haben es mitbekommen: in Elz gibt es heftige Diskussionen über die Art und Weise, wie die traditionsreiche Kirmes gefeiert wird. Das Konzept sei zu burschenorientiert, die Kirmesmädchen fühlten sich als Staffage und Arbeitstiere, dürften aber nicht mitbestimmen. Die Frage ist: Sollen demnächst junge Männer und Frauen gleichberechtigt Kirmes feiern?

Das geht den Elzern nicht weit genug, sie wollen einen wirklich großen Wurf wagen. In diesem Jahr bleibt alles beim Alten, aber 2024 macht das größte und schönste Dorf Deutschlands einen gigantischen Schritt nach vorn: Die Kirmes wird queer.
 
Bei der Umsetzung des Projektes lässt sich der Kirmesjahrgang von Dr. Wiebke-Mila Malmeneicher-Hunsänger beraten. Sie leitet an der Frankfurter Goethe-Universität das Postgraduiertenkolleg „Binär- und Heteronormativität in den Volksfesten ruraler Ethnien“ und will ihre Habilitationsschrift über die Elzer Kirmes verfassen (Arbeitstitel: „Repressive Kontextualität in ruralen Diskurstraditionen: Über die Überwindung von Sexualität, Geschlecht und Körperlichkeit am Beispiel der ‚Elzer Kirmes‘“). Ihr Konzept für eine diskriminierungs- und gewaltfreie Kirmes basiert auf sechs Eckpunkten:
 
[1] Für die Kirmes verantwortlich sind in Zukunft nicht mehr Kirmesburschen und -mädchen, sondern gleichberechtigte „Kirmespersonen“ bzw. „Kirmeshaltende“. Jede Kirmesperson trägt den traditionellen Kirmeshut.
 
[2] Um die traditionalistische Vorstellung von Paarbeziehungen (die schlimmstenfalls in eine Ehe münden können) zu brechen, werden die Kirmeshaltenden per Los in Dreier-und Vierer-Teams eingeteilt. Das beendet die bisherige Zuordnung von jeweils genau einem Kirmesmädchen zu genau einem Kirmesburschen.
 
[3] Taillierte Blusen, enge Jeans und kurze Röcke sollen der Vergangenheit angehören, um eine Kultur der Body Positivity und des Anti-Sexismus zu etablieren. Alle Kirmespersonen tragen in Zukunft „Kirmeskittel“, wie sie unter anderem aus dem Oberwesterwald bekannt sind.
 
[4] Maskottchen der Elzer Kirmes wird „Kuno von Elz“, im 13. Jahrhundert Kantor am Limburger Georgenstift (siehe Foto). Dazu Malmeneicher-Hunsänger: „Es ist sicher kein Zufall, dass die Elzer die Statue eines ‚Mannes‘ in figurbetonten ‚Frauen‘kleidern vor ihre Kirche gestellt haben.“ Dies sei ein eindrucksvoller Beleg für ihren Willen, überkommene Vorstellungen zu überwinden.
 
[5] Das Elzer Kirmeslied wird umgedichtet, um die Kirmes auch musikalisch zu einem Fest für wirklich alle Menschen zu machen. Den neuen Text soll der Eschhöfer Autor Ikke Hüftgold verfassen.
 
[6] Unter den Hashtags #mehrKunowagen sowie #Kirmeshutfüralle wird eine breite Medienkampagne gestartet, um Akzeptanz für das Ziel einer partizipativen, inklusiven, gewaltfreien und wertschätzenden Kirmes zu erreichen.
 
ZUR PERSON: Dr. Wiebke-Mila Malmeneicher-Hunsänger wurde 1984 in Elz geboren und studierte von 2003 bis 2012 Soziologie, komparative Religionswissenschaften und Erwachsenen-Pädagogik an der Uni Gießen, wo sie 2022 auch promoviert wurde. Seit Anfang dieses Jahres forscht und lehrt sie in Frankfurt am Main.
 

 

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