Euthanasie und Heilanstalt
sind Nazi-Euphemismen, die den Zynismus des tausendjährigen Reiches entlarven. An dessen Verbrechen erinnern vielerorts die mittlerweile allseits bekannten „Stolpersteine“. Heute ist dieses größte Kunstwerk Europas wieder ein bisschen größer geworden, und zwar am Kornmarkt und mehreren anderen Stellen in Limburg. Am Kornmarkt wird nun zweier Frauen gedacht, die psychisch krank waren und deshalb in die „Heilanstalt“ Hadamar eingewiesen worden waren, wo sie später im Rahmen der „T4“-Aktion ermordet wurden.Das Zeug zum größten Kunstwerk Europas haben die Stolpersteine im doppelten Sinn. Mit 56.000 Exemplaren in zwanzig Ländern ist mittlerweile rein quantitativ ein Niveau erreicht, das seinesgleichen suchen dürfte.
Entscheidender ist aber, wie stark die Wirkung ist, die die kleinen Messingplatten entfalten. Aufgrund ihrer enormen Verbreitung begegnet man ihnen überall, sie sind im Sinne des Wortes unausweichbar. Dabei ist es gerade die scheinbare Beiläufigkeit, die dieser Form von Aktionskunst ihre besondere Bedeutung gibt. Beiläufig, während direkt nebenan Autos ein- und ausparken, Passanten vorbeischlendern sowie Espresso geschlürft und Klamotten gekauft werden, verlegt der Künstler, Gunter Demnig, die Stolpersteine, und genauso beiläufig begegnet man ihnen – und damit natürlich den Opfern, für die sie stehen – mittlerweile in ganz Deutschland und halb Europa. Im Urlaub, auf der Geschäftsreise, beim Shoppen.
Was heute Morgen besonders beeindruckend war: Die Beiläufigkeit der Verlegungsaktion nimmt ihr nicht die Würde. Ganz im Gegenteil. Die Ansprachen, Gebete und das Verlesen der Opferbiographien durch Schüler der Leo-Sternberg-Schule können nicht wirklich laut sein, müssen sich aber gegen die Hintergrundgeräusche einer geschäftigen Kleinstadt durchsetzen. Und das tun sie. Die Botschaft kommt an.
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