Dienstag, 10. Oktober 2023

Nach Art und Maß...

…in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“ sollen sich Bauten im Innenbereich von Siedlungen, sofern es keinen Bebauungsplan gibt. Das regelt §34 des Baugesetzbuches. Konkret: was gebaut wird, muss (halbwegs) zu dem passen, was drumherum steht. Eine solche Gummivorschrift birgt natürlich Konfliktpotenzial, denn Bauherren haben in der Regel eine andere Vorstellung von „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“ als die Nachbarn bzw. der Normalbürger. Da verwundert es nicht, dass der Bauboom der vergangenen Jahre zu zahlreichen Projekten geführt hat, über die so mancher den Kopf schüttelt.
 
Dazu sieben Anmerkungen:
 
[1] Dass eine Stadt nicht völlig „überplant“ ist, man also keineswegs für jeden Winkel einen Bebauungsplan mit konkreten Vorgaben aufgestellt hat, ist ganz normal. Bebauungspläne aufzustellen kann juristisch komplex sein und überdies dazu führen, dass Dinge, die nicht passend sind, passend gemacht werden – ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist also grundsätzlich nicht schlimm, wenn in Teilen einer Stadt der zitierte §34 des Baugesetzbuches greift.
 
[2] Immer mehr Limburger haben aber den Eindruck, dass es in den vergangenen Jahren zu einem Wildwuchs gekommen ist. Da entstehen plötzlich in gewachsenen Bungalowsiedlungen Wohnblöcke oder in teilweise unter Ensembleschutz stehenden Straßenzügen die üblichen Investorenklötze, die auch den letzten Quadrat- bzw. Kubikmeter zu Geld machen sollen und sich eben nicht „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen“ – meinen wenigstens die Leute.
 
[3] Das Problem: die Gerichte sehen das anders. Sie legen den §34 BauGB maximal weit aus. 
 
[4] Die Konsequenz: Wenn die Stadtverwaltung im Baugenehmigungsverfahren zu restriktiv ist, hat der Bauherr gute Chancen, seine Baugenehmigung über den Umweg eines Verwaltungsgerichtsverfahrens doch noch zu bekommen. Auch klagende Nachbarn sind in den vergangenen Jahren mehr als einmal „hinten runtergefallen“.
 
[5] Man kann dem Rathaus daher eher nicht vorwerfen, bei der Genehmigung der betreffenden Projekte zu großzügig zu sein; eher ist das Problem, dass es zu wenig Bebauungspläne gibt. Der Verwaltungsspitze fehlt erkennbar der politische Wille, die Entwicklung der Stadt gemeinwohlorientiert zu steuern.
 
[6] Das löst bei den Bürgern ein Unbehagen aus. Sie haben das Gefühl, dass nicht ihre gewählten Vertreter, sondern eine Handvoll Investoren über die bauliche Zukunft der Stadt entscheiden.
 
[7] Und dass einer dieser Investoren über Jahrzehnte eine höchst intime Beziehung zu der entscheidenden Stelle im Rathaus pflegte, macht die Sache auch nicht unbedingt besser.
 

 

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