Montag, 8. Januar 2018

Limburg und Stalingrad

Die "Madonna von Stalingrad". Foto: Limblog
In diesen Tagen und Wochen jährt sich die Tragödie von Stalingrad zum 75. Mal. Im Spätsommer 1942 hatte die Wehrmacht ihren Angriff auf die Stadt an der Wolga begonnen und diese kurze Zeit später eingenommen. Die Gegenoffensive der Roten Armee führte zur Einkesselung der deutschen Truppen, rund eine Viertel Million Mann. Von diesen überlebten ca. 100.000 die Kämpfe sowie Hunger und Kälte im Kessel und gerieten im Zuge der Kapitulation Ende Januar 1943 in Gefangenschaft, aus der nur 6000 zurückkehren sollten.

Die Schlacht um Stalingrad gilt als psychologischer Wendepunkt des Zweiten Weltkrieges, auch wenn Historiker ihre tatsächliche militärische Bedeutung unisono als gering einschätzen. Sie steht stellvertretend für die Sinnlosigkeit des Sterbens in einem Krieg, der – insbesondere an der Ostfront – von deutscher Seite als grausamer Vernichtungskrieg geführt wurde. Den Kämpfen um Stalingrad selbst fielen womöglich 700.000 Menschen zum Opfer, die meisten davon Soldaten der Roten Armee und zivile Einwohner der Stadt.

Für Limblog ist das Thema von Interesse, weil unsere Stadt ab Anfang der 1960er Jahre in den Mittelpunkt des westdeutschen Stalingrad-Gedenkens rückte. Warum, das konnten wir bis dato nicht abschließend klären. Möglicherweise waren schlicht und einfach verkehrstechnische Gründe ausschlaggebend, denn Limburg liegt nahe der geographischen Mitte der alten Bundesrepublik. Jedenfalls fanden (immer am Wochenende des Volkstrauertages) die Bundestreffen des „Bundes ehemaliger Stalingradkämpfer e.V.“ seit 1960 alle zwei Jahre in Limburg statt. Hier, genauer in der Josef-Kohlmaier-Halle, beschloss der Verein auch 2004 seine Auflösung. Sein Ende war absehbar: von den immer weniger Mitgliedern waren immer weniger in der Lage, zu den Treffen anzureisen. Gegründet worden war der Bund 1958 in Nürnberg mit dem Ziel, Erinnerung und Kameradschaft zu pflegen und Vermisstenschicksale aufzuklären. Entsprechend gab es bei den Treffen immer eine Suchdienstausstellung mit Fotos von Vermissten, deren Angehörige hofften, der eine oder andere ehemalige Stalingradkämpfer könne bei der Aufklärung helfen.

Die „Zeit“ widmete dem Verein und den Limburger Treffen im Jahr 1990 eine ausführliche und kritische Reportage, in der sie unter anderem auf revanchistische Töne und die Schwierigkeiten der Mitglieder einging, mit ihrer jeweils persönlichen sowie der deutschen Geschichte angemessen umzugehen.

Der Limblog-Betreiber selbst nahm 2002 als Gast am abendlichen Empfang in der Kohlmaier-Halle teil und war, anders als der Zeit-Redakteur 1990, beeindruckt von den alten Männern (sie konnten damals übrigens zusammen mit ihren Ehefrauen noch den großen Saal füllen), die nichts beschönigten und sehr glaubhaft ihren Beitrag dazu leisten wollten, dass niemand mehr erleben muss, was sie erleben mussten.

Stalingrad-Gedenkstätte auf dem Limburger Hauptfriedhof. Foto: Stadtverwaltung
In Limburg fanden jedoch nicht nur die Bundestreffen der „Stalingradkämpfer“ statt; der Limburger Hauptfriedhof ist auch Standort der zentralen deutschen Gedenkstätte für die (deutschen) Opfer der Schlacht. Dazu die städtische Internetseite: „Im Jahre 1964 wurde das von einem ehemaligen Stalingradkämpfer entworfene Mahnmal mit der Aufschrift „Stalingrad 1943“ durch den Bund ehemaliger Stalingradkämpfer Deutschland mit Hilfe der Bundeswehr und Unterstützung der Stadt Limburg aus einem 21 Tonnen schweren Granitblock aus dem Fichtelgebirge errichtet. Unter der 200 kg schweren Bronzeschale befindet sich ein von der Glasfachschule Hadamar gestifteter Kristallblock mit Erde aus Stalingrad.
Im Jahre 1988 hat die Stadt Limburg die „Stalingradkämpfer-Stiftung“ angenommen und die Erhaltung und Pflege der Stalingrad-Gedächtnisstätte – auch über das Bestehen des Bundes ehemaliger Stalingradkämpfer hinaus – übernommen.“

Gedenkstein mit der "Madonna von Stalingrad" auf dem alten Friedhof am Dom. Foto: Limblog
Neben der Gedenkstätte auf dem Hauptfriedhof erinnert ein kleiner, aber feiner Gedenkstein auf dem Domfriedhof an die Schlacht von Stalingrad. Auf dem Stein ist ein Relief mit der „Madonna von Stalingrad“ angebracht. Diese Madonna von Stalingrad wurde Weihnachten 1942 von dem evangelischen Pfarrer Kurt Reuber auf die Rückseite einer russischen Landkarte gemalt. Mit einem der letzten Transportflüge, die den Kessel verlassen konnten, gelangte sie zu Reubers Familie, die sie auf Veranlassung von Bundespräsident Karl Carstens 1983 an die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin bergab. Dort wird sie noch heute aufbewahrt. Reuber starb in sowjetischer Kriegsgefangenschaft.

Der Stein mit dem Relief stand im Garten eines ehemaligen Stalingradkämpfers, wurde von dessen Familie dem Bund der ehemaligen Stalingradkämpfer übergeben, der wiederum wünschte, ihn auf dem Domfriedhof aufstellen zu lassen. Das geschah 2002. Die Umschrift um die Madonna, die ihr Kind in einem Schutzmantel warm hält, lautet: „1942 – Weihnachten im Kessel – Licht – Leben – Liebe“.

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