Samstag, 2. Februar 2019

Wegen ICE-Gebiet: "Amadeus" attackiert Limburger FDP

Etwas – sagen wir mal – sehr Ungewöhnliches dürfen die NNP-Leser heute beim Durchblättern des Lokalteils zur Kenntnis nehmen. Per ganzseitiger Anzeige wendet sich das Unternehmen Amadeus an die politischen Verantwortungsträger der Stadt, um auf eine kommunalpolitische Entscheidung Einfluss zu nehmen. Als wäre das nicht schon ungewöhnlich genug, gehen die beiden Unterzeichner, Volker Deifel und Dirg Parhofer, noch einen Schritt weiter: Sie greifen direkt die örtliche FDP an, indem sie ihr unterstellen, gegen liberale Grundsätze zu verstoßen.

Worum geht es?


Amadeus, seit Jahrzehnten erfolgreich im Wohnungsbau tätig, möchte im Limburger ICE-Gebiet Wohnungen für eine perspektivisch potenziell dreistellige Zahl von Bewohnern errichten. Das ist grundsätzlich auf zweierlei Art möglich: entweder auf einem Grundstück, das noch von der Stadt zu erwerben wäre, oder auf in privater Hand befindlichem Boden. Den Bau von Wohnungen auf einem städtischen Grundstück kann die Stadtpolitik (zunächst einmal) problemlos verhindern, indem sie ihre Grundstücke nicht an Kaufwillige veräußert, die angeben, eben Wohnungen errichten zu wollen. Den Wohnungsbau auf privaten Grundstück muss die Stadt aber zulassen, denn – und darauf beruft Amadeus sich mit Recht – die Teilnutzung des ICE-Gebiets auch für Wohnzwecke steht seit rund zwanzig Jahren in dem nach wie vor gültigen Bebauungsplan. Damals wollte man verhindern, dass sich das Gelände um den neuen „Schnellbahnhof“ zu einer blutleeren Bürostadt entwickelt, die abends und am Wochenende wie ausgestorben ist.

Was sagt die Stadtpolitik?


Die Begeisterung der Kommunalpolitiker dafür, im ICE-Gebiet im größeren Umfang (das heißt: über die eine oder andere Hausmeisterwohnung hinaus) Wohnen zuzulassen, hält sich trotz der eindeutigen Rechtslage in engen Grenzen. Das lassen die bisherigen Äußerungen aus allen Parteien vermuten. Man kann sich – über alle Parteigrenzen hinweg – nur schwer vorstellen, wer ín einem Gewerbegebiet wohnen wollen sollte und befürchtet, dass diese Wohnungen in Zukunft Mieter haben könnten, die man – zumindest im ICE-Gebiet – nicht unbedingt haben möchte. Die Nordstadt lässt grüßen. Auch die Frage nach der Infrastruktur stellt sich. Würden im iCE-Gebiet im großen Stil Wohnungen entstehen, benötigte man früher oder später einen Nahversorger, eine ÖPNV-Anbindung, einen Kindergarten etc. Denn der Platz reicht durchaus für einen neuen Stadtteil.

Wo liegt das Problem?


Wenn sich die Politiker weitgehend einig sind, dass das ICE-Gelände nicht zu einem – wenigstens teilweise – Wohngebiet werden soll, warum fassen sie dann nicht einfach die entsprechend notwendigen Beschlüsse? Die Sache hat zwei Haken: Erstens ist es nicht gerade im Sinne einer langfristig angelegten, vertrauensstiftenden Stadtplanungspolitik, einen Bebauungsplan genau dann zu ändern, wenn ein Investor kommt, der einfach nur umsetzen möchte, was seit zwei Jahrzehnten rechtskräftig im Bebauungsplan steht. Und zweitens drohen Schadenersatzforderungen der privaten Grundstückseigner, deren Grundstücke an Wert verlieren, wenn ihnen eine wichtige Nutzungsmöglichkeit – das Wohnen – im Nachhinein genommen wird. Dabei kann es schnell um erhebliche Summen gehen, für die dann der Steuerzahler aufkommen müsste. Dass da oben bereits mindestens ein weiterer stadtbekannter Investor aktiv ist, der ebenfalls ganz gerne im Bereich Wohnen unterwegs ist, macht die Sache dabei noch ein Stück komplizierter.

Was hat die Limburger FDP damit zu tun?


Mit ihrem offenen Brief weisen die Amadeus-Eigner nicht nur auf diese Punkte hin, sondern greifen eine Partei – ohne sie beim Namen zu nennen – direkt und massiv an: mit mehreren rhetorischen Fragen („Ist es liberal…“/“Seit wann ist es liberal…?“) attackieren sie die örtlichen Liberalen. Warum gerade die? Weil die FDP sich per Antrag und Pressemitteilung bislang am deutlichsten gegen Wohnen im ICE-Gebiet gewendet hat. Ginge es nach ihr (der FDP), dann würde es so gut wie keine Wohnung am ICE-Bahnhof geben.

Fazit: Nicht alles, was geht, ist klug


Investoren haben das Recht, ihre geschäftlichen Interessen im Rahmen der Gesetze zu verfolgen. Nicht mehr und nicht weniger will die Amadeus-Gruppe tun. Selbstredend dürfen Sie auch von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Nicht mehr und nicht weniger hat die Amadeus-Gruppe mit ihrem heutigen offenen Brief getan.
Ob aber alles zu tun, was man darf, auch klug ist – das müssen die Herren Deifel und Parhofer selbst wissen.

Der Limburger ICE-Bahnhof sollte einst Keimzelle eines Hochtechologie-Gewerbestandortes werden. Zwanzig Jahre später diskutiert die Stadtpolitik immer noch über das ICE-Gebiet. Foto: Limblog

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