Freitag, 20. Oktober 2023

Karstadt: Retter und Gerettete

Die Limburger Karstadt-Filiale ist gerettet. So heißt es seit einigen Wochen. Die Übernahme des Karstadt-Parkhauses in städtische Verantwortung hab das möglich gemacht. Denn angeblich sei das Warenhausgeschäft in Limburg profitabel, während nur das Parkhaus rote Zahlen erwirtschaftet habe. Das klingt erstmal gut, kann aber nur eine Übergangslösung sein. 
 
Die Warenhäuser entstanden (u.a. Karstadt 1881, Hertie 1882) im 19. Jahrhundert – und haben ihr Geschäftsmodell seitdem nicht wesentlich verändert: Sie kaufen Produkte bei Großhändlern und Herstellern ein, räumen diese in Regale und warten dann auf zahlungsbereite Kundschaft. Das war’s im Wesentlichen. Dieses Vorgehen hat im 21. Jahrhundert keine Zukunft. Eigentlich hat es auch keine Gegenwart. Dass Karstadt seit Jahrzehnten dauernd „gerettet“ werden muss, belegt dies eindrucksvoll.
Man kann ein Geschäftsmodell aber nicht retten. Entweder es funktioniert; oder es funktioniert eben nicht. So wie sich die Geschäftsmodelle der fahrenden Händler aus dem Mittelalter oder der Kolonialwarenhandlungen aus dem 19. Jahrhundert früher oder später überlebt haben, so ist es auch mit dem Geschäftsmodell der Warenhäuser. Ihre Zeit ist einfach abgelaufen.
 
Dass die Stadtpolitik sich jetzt für diese Rettung feiern lässt, ist politisch verständlich. Es lässt sich immer einfacher verkaufen, wenn man etwas rettet als wenn man etwas in Frieden sterben lässt. Das ist aber mit drei Problemen verbunden:
 
[1] Die Stadtpolitiker und nicht zuletzt der Bürgermeister sind, wenn es um unsere Innenstadt geht, nicht Teil der Lösung, sondern des Problems. Wie egal Ihnen das Herz unserer Stadt ist, haben sie gezeigt, als sie das Rathaus in den ehemaligen Mundipharma-Glaspalast auf der Dietkircher Höhe verlagert haben. Ideen zur Belebung des Zentrums sind Mangelware. Der seit Jahren brachliegende Neumarkt ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.
 
[2] Gerettet wird in erster Linie das Geld von Investoren, die sich verspekuliert haben. Egal, ob Commerzbank, Opel, Griechenland oder eben Karstadt: „Rettungen“ bedeuten eigentlich immer, dass der Steuerzahler die Verluste trägt, nachdem die Eigenkapitalgeber zuvor die Gewinne eingestrichen haben.
 
[3] Wichtiger für Limburg ist jedoch: Zeit, Geld und Energie fließen einmal mehr in die Aufrechthaltung von Strukturen der Vergangenheit. Besser wäre es, sich mit mindestens dem gleichen Eifer der Zukunft der Limburger Innenstadt zu widmen.
 
Karstadt in seiner jetzigen Form wird es spätestens 2030 nicht mehr geben. Was bedeutet das für die Fußgängerzone? Was passiert dann mit einer ebenso riesigen wie hässlichen Immobilie, die sich aufgrund ihres speziellen Zuschnitts eigentlich nur als Warenhaus nutzen lässt? Lohnen sich die heutigen städtischen Investitionen in die Aufhübschung des Parkhauses überhaupt für so wenige Jahre? Liegt die Zukunft einer attraktiven Innenstadt wirklich hauptsächlich im Handel oder eher in einer neuen Mischung aus Wohnen, Gastronomie, Unternehmen, Verwaltungen, Praxen und Kanzleien, Unterhaltung, Tourismus und eben (ein wenig jedenfalls) Einzelhandel?
 
Die Verantwortlichen im Rathaus haben mit der „Rettung“ ein wenig Zeit gewonnen. Sie sollten diese nutzen, um sich mit der Weiterentwicklung der Innenstadt zu beschäftigen. Da gibt es genug zu tun.
 

 

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