Samstag, 1. Oktober 2022

Limburg-Weilburg bekommt EINE Zeitung

Da kauft jemand die Titanic nach dem Zusammenstoß mit dem Eisberg, wechselt den Dirigenten der unverdrossen weiterspielenden Kapelle aus und kündigt an, das Ganze zu einem Flugtaxi weiterzuentwickeln. So liest sich der lokale Aufmacher heute in der NNP. Ein Geschwisterpaar übernimmt das Weilburger Tageblatte sowie die Nassauische Neue Presse und will daraus eine Zeitung für den Landkreis machen. Die beiden sind überzeugt, dass der Lokaljournalismus Zukunft hat und sie das Geschäftsmodell der derzeit noch zwei Print-Blätter erfolgreich in die Onlinewelt transferieren können. 
 
So weit, so bewundernswert. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie das gelingen kann. Zu wünschen wäre es den mutigen Unternehmern – denn der designierte Chefredakteur des neuen Mediums hat Recht: Die Demokratie braucht in Form der Presse eine neutrale Instanz, die Informationen zusammenträgt, auswertet, beurteilt und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Das gilt nicht zuletzt für die lokale Ausprägung der Demokratie, die Kommunalpolitik. Deshalb ist es auch so schade, dass Lokale News HL-Journal demnächst einen neuen Weg einschlagen wird – aber das ist ein anderes Thema.
 
Jetzt sind wir alle gespannt, wie es weitergeht. Die knapp 20.000 Abonnenten von NNP und WT dürften mit einem Medianalter von ca. 70 Jahren gesegnet sein. Da hört die Musik also bald auf zu spielen. Kommerziell wirklich erfolgreichen Online-Lokaljournalismus gibt es bisher eher in Ansätzen und er kann auch bei uns im Nassauer Land nicht so einfach aus dem Boden gestampft werden.
 
NNP und WT waren aber seit Jahrzehnten nicht nur Lokalzeitungen. Der aus Frankfurt bzw. Wetzlar bereitgestellte „Mantel“ versorgte die Leser zudem mit überregionalen Neuigkeiten auf den Gebieten Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport. Ob im Internetzeitalter diese Ansammlung von mehr oder weniger gut redigierten Agenturmeldungen (mehr war der Mantel meistens nicht) noch nötig ist, kann bezweifelt werden. Dass Russland weitere Teile der Ukraine annektiert hat, wussten die NNP-Leser am heutigen Samstagmorgen jedenfalls längst, als sie die Zeitung aus der Rolle geholt haben. Die Abtrennung der beiden hiesigen Lokalblätter von den Mutterhäusern dürfte jedenfalls für Bewegung sorgen, wenn es um die Beibehaltung, Veränderung oder Abschaffung des Mantels geht.
 
Limblog erlaubt sich, den neuen Nassauer Medienmogulen mitzuteilen, wie die optimale Lokalzeitung aussehen könnte: Sie wäre keine Print-Tageszeitung mehr, sondern ein Wochenendblatt, das die Leser samstags mit tiefgründigen Reportagen, Interviews und Analysen versorgt. Das eigentliche Nachrichtengeschäft fände nur noch online statt, mit Teasern in den sozialen Medien und Bezahlartikeln auf der Homepage. Die Kombi aus wöchentlichem Blatt und Onlinezugang gäbe es im Abo, einzelne Artikel im Netz aber auch als „pay per view“. Inhaltlich müsste es eine radikale Konzentration auf das Lokale geben.
 
Ob das aber journalistisch und kommerziell tragfähig wäre? Wenn nicht, dann haben Frau Kinne und Herr Bardi sicher ihre eigenen guten Ideen. Für deren erfolgreiche Umsetzung wünschen wir ihnen nur das Beste.
 
 
Der Nassauer Bote, Vorgänger der NNP,  in der guten alten Zeit

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